Nach der Landtags-Stadtratspartie war muechenblogger wieder bei einem Fußallspiel. Vor zwei Wochen besuchten wir den Frauenfußballverein FFC Wacker München bei seinem ersten Heimspiel der Saison. Eine Reportage.
Fußball berührt Joe Simmers Seele. Jahrelang spielte der 61-Jährige aus München-Sendling im Verein, er besuchte die Spiele des TSV 1860 im Grünwalderstadion. Bis vor drei Jahren arbeitete er als Würstlverkäufer im Olympiastadion. "Das war toll", sagt er. "Nach dem Anpfiff hatte ich wenig zu tun und konnte mir das Spiel ansehen." Doch nun hat Simmer die – seiner Ansicht nach – schönste Art des Fußballs entdeckt: Frauenfußball.

"Die Damen spielen viel ästhetischer als die Herren", sagt er. Wie bei fast jedem Heimspiel des FFC Wacker steht Simmer am Spielfeldrand und lässt den Fußball seine Seele berühren. Etwa 60 Zuschauer sind an diesem Sonntag zum Gelände an der Demleitnerstraße in Sendling gekommen, um die 2. Frauenmannschaft bei ihrem Landesliga-Spiel, dem ersten dieser Saison, anzufeuern. Der Gegner: SC Regensburg 2. (Impressionen vom Spiel gibt es in unserer Bildergalerie.)
In einer langen Reihe stehen die Zuschauer an das Geländer gelehnt: Eltern, Freundinnen und Freunde der Spielerinnen. Aber auch echte Fans: Alex, Mike und Gerd kommen zu jedem Spiel, oft auch zu den Auswärtsspielen. "Die Mädchen sind toll", sagen sie. Damit meinen die drei wohl deren Spielfähigkeit und deren Aussehen. Männermannschaften interessieren sie nicht. Dann stimmen Alex, Mike und Gerd, die alle einen Mannschaftsschal tragen, Fangesänge an: "Auf geht`s, Wacker, auf geht`s!"
Die elf Spielerinnen des FFC Wacker tragen dunkelblaue Trikots, die ihnen ein bisschen zu weit sind. Vor dem Anpfiff bilden sie einen Kreis, Arm in Arm stecken sie die Köpfe zusammen und tuscheln verschwörerisch – so wie es Jürgen Klinsmann den Jungs der Deutschen Nationalmannschaft beigebracht hat.
Wie auch bei der DFB-Elf steht bei Wacker heute jemand mit orange-farbenen Trikot im Tor, auf dem der Name "Lehmann" steht. Die Torwartfrage bei Wacker war am Sonntag jedoch schnell entschieden: Die 1. Damenmannschaft hat am Wochenende spielfrei und so bewacht deren Star das Tor. Ihr Name: Lehmann, Kathrin Lehmann. Sie spielt normalerweise in der Nationalmannschaft der Schweiz. Dort allerdings Eishockey - als Feldspielerin. Im Jahr 2004 wurde sie zur Sportlerin des Jahres in München gewählt.
Wie ein Dirigent ruft sie über den Platz: "Nimm ihn weiter runter!", "Sarah, ran!" oder auch mal "Schön gemacht!" Defensivspielerin Fitnat meint später anerkennend: "Was sie sagt, zählt!"
"Mensch, Schiri!"
Die Fußballerinnen spielen auf einem braunen Ascheplatz. Dahinter ragen drei Türme einer Industrieanlage und die Dächer von Einfamilienhäusern über einer Baumreihe hervor. Der Verkehrslärm der nahen Plinganserstraße dringt herüber. Auf dem Wacker-Gelände spielen Jugendliche Basketball, Tennis und Lacrosse. Der Boden und die Luft sind feucht. Doch für das Spiel hat der Regen eine Pause gemacht. Das Haar der Fußballerinnen ist noch nass von einem vorherigen Regenschauer. Die Spielerinnen foulen sich gelegentlich, fallen auf den Boden, ihre Arme und Beine sind schmutzig. "Mensch, Schiri!", schimpft die Spielerin mit der Nummer 9 über eine Entscheidung des Schiedsrichters.
In der 20. Minute erzielt Franzi das Eins zu Null: Ein routinierter Schuss aus dem Lauf in die linke untere Torecke. Die Zuschauer jubeln. Wenige Minuten später leiden sie wieder mit: "Schießt doch mal endlich!" Nach einem Fehlpass ertönt ein lang gezogenes "Oooh" aus der Zuschauerreihe.

In Bayern spielen etwa 360.000 Jungen unter 18 Jahren Fußball – und knapp 50.000 Mädchen. Bernhard Schütz, der Funktionär des Bayerischen Fußballverbandes (BFV), meint, bei den Jungen werde sich die Zahl kaum mehr erhöhen. Bei den Mädchen dagegen sei noch großes Potential vorhanden. Auf 20 bis 30 Prozent schätzt er die Steigerungsrate bei den Nachwuchsfußballerinnen.
Immer noch lassen viele Eltern ihre Töchter nicht Fußball spielen, sie sehen es als reine Männersportart. Doch das beginnt sich zu ändern. Trainerin Susanne Rossbach meint gut gelaunt: "Wir können uns vor Neuzugängen derzeit gar nicht mehr retten." Vier Frauen- und fünf Mädchenmannschaften gibt es bei Wacker inzwischen. Die WM habe für den Boom kaum eine Rolle gespielt, das gute Abschneiden der deutschen Frauen-Elf in den vergangenen Jahren dagegen eine bedeutendere. Seit drei Jahren trainiert Rossbach die 2. Frauenmannschaft des FFC Wacker. Nach einem achten und einem fünften Platz in der Landesliga heißt das Ziel in diesem Jahr: Aufstieg.
Zwei Mal die Woche trainiert die 43-Jährige, die schon einmal einen Marathon gelaufen ist, die Mannschaft. Ihr Motto: "Nur wer in extremen Situationen trainiert, kann in extremen Situationen bestehen." So streng geht es aber beim FFC Wacker wohl nicht zu. Die 24-jährige Fitnat, die erst vor ein paar Wochen in den Verein kam, sagt: "Mir macht es sehr viel Spaß hier. Die Mannschaft hat mich sofort aufgenommen."
"Fußball im Fernsehen ist langweilig"
Um Spaß geht es den meisten Spielerinnen. Als Hobby auf der Vereins-Homepage geben alle an: Sport. Vielleicht geht es weniger ehrgeizig und verbissen zu als bei den Herren. Die Frauen lachen während des Spiels, machen scherzhafte Bemerkungen. Fitnat sagt: "Das Ziel ist das Spiel." Fußball im Fernsehen findet die Wirtschaftschemiestudentin langweilig. Während der WM hat sie sich kaum ein Spiel angeschaut. "Nur wenn man selber spielt, macht es Spaß", sagt sie.
In der Halbzeit erzählt Simmer, bei dem Fußball die Seele berührt, ein wenig stolz: "Wenn die Mädchen bei Auswärtsspielen einen Fahrer für den Bus brauchen, spring ich manchmal ein." Er sieht sich als Vorreiter im Kreuzzug des Frauenfußballs. Manchmal gelingt es ihm, Bekannte zu überreden, sich ein Spiel beim FFC Wacker anzusehen. Die meisten meinen danach: "Des hätt ich ja gar nicht geglaubt, dass die so gut spielen!" Nach der ersten Halbzeit raunt Simmer seinem Nachbarn zu: "Die mit der Nummer 12 gefällt mir. Aus der wird noch was."
Jana hat das Trikot mit der Nummer 12. Sie ist 18 Jahre alt, kaum 1,60 Meter groß, sie trägt einen roten langen Pferdeschwanz und hat Sommersprossen im Gesicht, auf den Armen und Beinen. Wenn sie den Ball schießt und über den Platz rennt, lächelt sie. Sieht so die Zukunft des Damenfußballs aus?
Das Spiel endet eins zu null. "Mit dem Ergebnis bin ich zufrieden, mit dem Spiel weniger", sagt Trainerin Rossbach. Es hat viele Fehlpässe gegeben, der Spielfluss hat noch nicht gestimmt. "Das wird aber im Laufe der Saison noch besser", ist sich Rossbach sicher.
Nebenan auf dem Rasenplatz spielt die Herrenmannschaft des FC Wacker. Es sind nicht mehr als zehn Zuschauer da.