U-Bahn: Das voyeuristische Fenster Teil 2

 Neulich konnte ich gut beobachten, wie ich beobachtet wurde. Ich guckte in meinem Fenster gerade Spanner-TV, als ich merkte, wie mich ein Mann vom Vierer gegenüber ins Visier nahm. Da ich nach links gewandt ins Fenster guckte und er von rechts auf mich und meine Klamotten, kreuzten sich unsere Blicke nicht.

Zuerst starrte er aufgesetzt ausdruckslos auf mein rotes Haar. Seine lässig halb herunter gelassenen Augelider und seine leicht angekrauste Stirn sollten verdammt noch mal souverän rüber kommen, wirkten aber wie schlecht vorm Spiegel einstudiert. Der Mann schien mir nicht er selbst zu sein.

Sein Blick war gehässig. Und ich war genau das richtige Objekt, an dem er seinen Frust (kleines Geschlecht?) abbauen konnte - indem er Zentimeter für Zentimeter analysierte, warum ich im Vergleich zu ihm ein Nichts bin.

Nachdem er sich eine gute Minute für meine roten Haare Zeit genommen hatte ("elendiger Pumukl!") verweilte er kurz bei meinem Ohr. Das war ihm eindeutig zu fleischig.

Als er mit seinen Augen meinen Hals hinunter glitt, blieb er an einem Pickel hängen, der so gelb und knackig reif war, dass ihm ein kleines Hassgrinsen über die Lippen huschte ("Die olle Pickelfresse wird nie eine abschleppen!"). Mein Kapuzenpulli erfüllte erst seine Erwartungen ("Bombenleger!"). Doch dann sah er einen Teil der Aufschrift: unter einem Fischsymbol stand irgenwas von einem Meereswissenschaftlichen Institut. Seine Brauen zogen sich für einen Augenblick der Verstörung zusammen. ("DER soll studiert haben?"). Meine Jeans half ihm wieder, sich besser zu fühlen. Tief im Schritt ("wie kindisch"), aber gemütlich. Seine Anzughose dagegen quetschte ein so enges "Male Cameltoe" hervor, dass es mich schaudern ließ.

Besonders das Loch am Knie meiner Hose gefiel ihm, seine Brauen wanderten wieder nach oben. ("Armer Schlucker."). Unten angelangt musterte er meine Schuhe. Gerne hätte ich seine Tour de Abschätzigkeit mit abgelatschten Punkerstiefeln gekrönt, doch leider musste er sich mit Halbschuhen im Krokolook zufrieden geben. Er suchte sie noch nach irgend etwas ab, um sie scheiße finden zu können, als ich ihm mit meinen Schuhspitzen zu winkte.

Der Mann schreckte auf blickte hoch zu meinem Kopf. Gemächlich drehte ich meinen Kopf zu dem Mann und grinste ihn freundlich an. Der Arme fühlte sich derart ertappt, dass er aufstand und zur Tür ging.

Teil 1 von das voyeuristische Fenster finden Sie hier: Das voyeuristische Fenster, Teil 1
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Kommentare

Goma am Do., 02.11.2006 - 23:16

Spanner-TV ist allgemein verbreitet bei uns und so kommt es häufiger vor, dass man sich im Spanner-TV gegenseitig beim Spannern erwischt als dass man die Leute ohne Lichtreflektion bemerkt. Die Tatsache, das es ein heimliches Gesetz geben muss, dass man sich in Bus und Bahn nicht direkt anschauen darf ist schon seltsam genug, aber verständlich, wenn man sich die neuesten Zahlen der Körperverletzungen in den öffentlichen Verkehrsmitteln ansieht. Direkt angeschaut zu werden macht scheinbar aggressiv. Ich schaue Leute deshalb oft direkt an ;)