"Verlängert": Münchner Lach- und Schießgesellschaft im Audimax der LMU

Wer sich am gestrigen Abend ins Audimax der Ludwig-Maximilians- Universität verirrte, der amüsierte sich wohl nicht schlecht. Wo sonst der neuerdings auch offiziell zur Elite gehörende Nachwuchs sein tägliches Dasein fristet, ging es plötzlich um den nicht ganz ernst zu nehmenden "Hirn-Schwimm-Schwamm" der letzten 50 Jahre.

Genau so lange ist es nämlich her, daß sich Ursula Herking, Klaus Havenstein, Dieter Hildebrandt und Hans Jürgen Dietrich ihr Stelldichein gaben. Mit dem Titel "Denn sie müssen nicht, was sie tun" ging das junge Ensemble am 12.12.1956 daran, den Lach- und Schießmuskel der bayerischen Gesellschaft zu attackieren. 46 Bühnenstücke und etliche Mitgliederwechsel später wurde es Zeit, das Jubiläum der komischen Gesellschaft mit einem besonderen Kulturbraustreifen zu begehen.

Foto Lach- und Schießgesellschaft in München

"Verlängert" heißt das aktuelle Stück der nunmehr vier Mann starken Truppe (Regie Ulf Goerke), das als deutlich politisch akzentuiertes Kabarett in den heiligen Hallen der Alma Mater gastierte. Im Mittelpunkt des Geschehens stand dieses Mal jeder einzelne von uns, nämlich Du, Deutschland, genauer gesagt: Dietmar Deutschland (Thomas Wenke), der als korrupter Immobilenhai an der Hamburger Adresse Große Freiheit Nr. 50 sein Unwesen treibt.

Umrahmt von dem vielschwätzenden und dabei nichtssagenden Eventmanager André Heller, dem falschen Mediziner Seemann Blau (Ecco Meineke) oder der chinesischen Geschäftspartnerin Miss Hedge Fong (Sonja Kling), wird Herr Deutschland zum Ausgangspunkt für die Rückführung in ein halbes Jahrhundert deutscher Nachkriegsgeschichte – und die präsentiert(e) sich nicht immer von ihrer besten Seite.

Foto Lach- und Schießgesellschaft in München

Ein fast peinlich berührtes und im Halse steckengebliebenes Lachen war etwa die Antwort auf die "Was bin ich"-Erfolgsshow der 60er Jahre, in der sich kein anderer als Adolf Eichmann so lange sein Schweinderl füllen lassen durfte, bis man den "Emigranten" als prominenten Kandidaten einer adenauersierten Gesellschaft erkannte. Entspannter wurde es erst beim Internationalen Solidaritätsfestival der kritischen Lyriker, die sich als soziologische Hippies verstanden und mit friedlichen Musikeinlagen glänzten.

Foto Lach- und Schießgesellschaft in München

Einen Mauerfall, einige Skinheads und Hartz-IV-Empfänger später findet sich Deutschland als stark attackierter Jammerlappen wieder, der sich mehr als einmal die Frage gefallen lassen muß, wann ein Mann eigentlich ein Mann ist.

Doch Dietmar Deutschland bekommt seine Chance: Als erster Kandidat der neuen Last-Exit-Show entscheiden die Zuschauer unter Moderationsmutation Sarah Suttner über Leben und Tod des Gepeinigten. Und tatsächlich, getreu dem Motto des neuen Programms, kommt der Gebeutelte noch einmal mit einem blauen Auge davon.

Geläutert und frei von jedweden Korruptionsgedanken, Machtgelüsten oder Intrigantentum heißt es weiterstricken an der Geschichte, denn schließlich ist es Zeit, daß sich was dreht. "Soll Deutschlands Leben verlängert werden?" bleibt am Ende als rhetorische Frage zurück, die angesichts glänzender Darsteller, satirischer Hirnakrobatik und leidenschaftlicher Zuschauer nun wirklich keine Untergangsstimmung verträgt.

Kommentare

Neuen Kommentar hinzufügen
Der Inhalt dieses Feldes wird nicht öffentlich zugänglich angezeigt.