Nicht mehr komplett verfallen

"Are You Gonna Go My Way"? Will Lenny Kravitz nach eineinhalb Stunden wissen. Und das Publikum gibt zumindest bei diesem Lied eine eindeutige Antwort: "Ja!" Die Halle tobt, die Menschen hüpfen, singen mit, die Hände nach oben gereckt.
Die eineinhalb Stunden zuvor ist das Publikum nicht immer ganz mit Lenny Kravitz einverstanden. Ein wenig zu glatt und routiniert kommt er am Mittwochabend beim Konzert in der Olympiahalle rüber.
Natürlich hat er immer noch eine einnehmende Ausstrahlung, natürlich reicht es, wenn er einen Hüftschwung macht, um die Fans zum Kreischen zu bringen, natürlich müssen ein paar Fans von den Sanitätern herausgezogen werden, natürlich ist seine Stimmgewalt und sein Gitarrenspiel virtuos, natürlich sind die Hits der Neunziger noch immer gut anzuhören und auch die von seiner neuen Platte hörenswert.
Und natürlich hat Kravitz wieder einmal eine hochkarätige Band dabei: David Bowies langjährige Bassistin Gail Ann Dorsey, an der Gitarre natürlich wie gewohnt Craig Ross und dazu drei Bläser, denen es beinahe gelingt, Kravitz in den Schatten zu spielen.
Doch die Zuschauer sind Lenny Kravitz nicht mehr komplett verfallen. Zu gekünstelt wirkt sein Gehabe manchmal, sein Gesichtsaudruck, seine Gesten, seine Bewegungenl. Wenn er über die Bühne schreitet, so tut, als würde er jeden Fan persönlich anlächeln oder zum Mitklatschen auffordern. Bei dem Konzert wird auch deutlich, wie gut die Songs zwar sind, aber auch wie ähnlich. Die Stücke der neuen Platte "Black and White America" unterscheiden sich nur wenig von den alten Sachen.
Nur zwei Mal zieht Lenny Kravitz sein Publikum völlig in den Bann. Bei "Are You Gonna Go My Way" - und bei der letzten Zugabe: "Let Love Rule". Kravitz verlässt die Bühne, klatscht die Fans in der ersten Reihe ab und macht eine Runde um die Olympiahalle. Ein Bad in der Menge. Da kann das Publikum gar nicht anders, als ihn bedingungslos zu lieben.