"Die Stadt München spielt klar den Trumpf 'Verrottung'" - Interview mit Rainer Kurzeder von der Aktion XX-Tausend (Teil II)

Muenchenblogger hat mit Rainer Kurzeder von der 1860-Fanorganisation Aktion XX-Tausend gesprochen. Ein Gespräch über Löwenfans, die Zukunft des Grünwalder Stadions und Möglichkeiten zur Rettung der Kultstätte. (Teil I des Interviews hier zum Nachlesen)

Neben der Allianz Arena, dem Olympia- und Dantestadion ist das Grünwalderstadion eine von vier Spielstätten in München. Meinem Informationsstand nach die Meistgenutzte, da auf Giesings Höhen neben den Spielen der Amateurmannschaften des TSV 1860 und FC Bayern auch regelmäßig die Jugendmannschaft beider Vereine auflaufen. Dennoch ist es dem Steuerzahler wohl schwer vermittelbar den Unterhalt von vier Spielstätten mit Steuergeldern zu finanzieren?

In der Tat ist das Grünwalder Stadion das meistgenutzte Sportstadion in Deutschland, das ist vielen gar nicht bewusst. Die Stadt bringt als Argument immer nur die Kosten, ihre Pflicht zur Unterstützung vom Breitensport wird nicht diskutiert. Wo sollen denn die Amateur- und Jugendmannschaften spielen? Es gibt in der Stadt kein einziges Stadion außer dem Grünwalder, das den Bedarf auffangen kann. Was viele gar nicht wissen, die Stadt München nutzt das Grünwalder Stadion jahrelang als Lager und betreibt dort u.a. Werkstätten. Entsprechende finanzielle Gegenrechnungen gibt es aber nicht.

Grünwalder Stadion

Eine Millionenstadt wie München sollte stolz auf sein Sportangebot sein. Die Stadt kann nicht auf der einen Seite sich um die Olympischen Spiele bewerben und die Meldung verbreiten "wir sind Sportstadt Nummer eins in Deutschland" und auf der anderen Seite die altehrwürdigen Traditionsspielstätten dem Verfall freigeben.

Warum nicht das wesentlich kleinere Dante- für das Grünwaldersadion opfern, von diesem Gedankenspiel war noch nie zu hören?

Es gibt Auflagen vom DFB wie ein Stadion geschaffen sein muss, um Bundesliga- aber auch Regionalliga-Spiele abhalten zu können. Das Dantestadion kommt dafür nicht in Frage. Allein schon die Fantrennung ist unmöglich, eine der wichtigsten Auflagen überhaupt. Das Dantestadion spielt auch in der Betrachtung als Stadion für Profi-Fußball keine große Rolle. Es ist wunderbar geeignet für Leichtathletikveranstaltungen und ist Austragungsstätte der Football-Mannschaft "Munich Cowboys". Und warum das Stadion opfern? Die Stadt München hat gerade im Breitensport viel zu wenige Sportstätten. Viele Vereine warten seit langer Zeit auf geeignete Sporthallen und -plätze. Dem Ruf der Stadt München als Sportstadt Nummer eins wird sie längst nicht mehr gerecht.

Es wird immer von der schlechten Infrastruktur des Stadions gesprochen. Thema Parkplätze Verkehrsanbindung etc.? Gerade der MVV Anschluss mit drei U-Bahn Haltestellen in unmittelbarer Nähe, zusätzlich Bus und Trambahn ist aber doch geradezu ideal?

Richtig. Eine bessere Infrastruktur gibt es eigentlich nicht. Die U-Bahnen, Bus und Tram direkt vor der Haustüre, dazu noch die direkte Anbindung an die Autobahn mehr kann man sich nicht wünschen. Traditionell kommen viele Fußballfans mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu den Spielen im Grünwalder Stadion. Alles wahrlich kein Argument für eine schlechte Infrastruktur.

Ende der 90er Jahre war von den Plänen eines privaten Investors, in Kooperation mit Manni Schwabl, zu hören der einen Neubau des Grünwalderstadions mit einem Fassungsvermögen von 40.000 Plätzen nach modernen Standards finanzieren wollte. Dies hatte der damalige Löwenpräsidenten Karl-Heinz Wildmoser recht schnell vom Tisch gefegt, sicherlich auch um den Bau der Allianz Arena nicht in Frage zu stellen bzw. zu gefährden. Gibt es aktuell Verhandlungen in diese Richtung?

Im Moment ist eine Task Force im Kreis der Freunde des Sechzgerstadions aktiv, die sich mit dem Thema beschäftigt. Konkrete Pläne oder gar Verhandlungen gibt es noch nicht.

2011 feiert das Grünwalder Stadion seinen 100. Geburtstag. Pläne der Stadtregierung sehen jedoch vor, das Stadion bis 2010 abzureißen. Geplant ist der Bau eines Gewerbegebietes und Einkaufscenter. Welche Auswirkungen dürfte dies auf den Stadtteil und die Infrastruktur in Giesing haben?

Kein Wunder dass der Abriss für 2010 geplant ist. Die Stadt will sich die Schmach ersparen, für ein Stadion mit solch einer großen geschichtlichen Bedeutung, den 100sten Geburtstag zu feiern und zugleich mit Bagger und Abrisskommando anzurücken. Eine traurige Vorstellung wie die Stadt mit Ihrer Tradition umgeht. Allein für Giesing wäre der Abriss fatal. Das Stadtbild würde sich grundlegend ändern. Viele Giesinger hängen an ihrem "Grünwalder", das Stadion ist für sie das Aushängeschild ihres Viertels. Warum die Stadt ein weiteres Einkaufszentrum braucht, das wieder Verluste abwirft, ist ein Rätsel. Dass viele kleine Läden ihre Existenz aufgeben müssten, würde ein weiterer Verlust der Identität von Giesing bedeuten. Vom liebenswerten, jahrelang gewachsenen Stadtteil bleibt dann nicht mehr viel übrig. Die Seele Giesings wäre zerstört.

Blickt man ins weite Rund des Grünwalderstadions können dem Löwenfan schon die Tränen kommen. Das Stadion brökelt an allen Ecken und Enden, einzelne Blöcke sind aufgrund von Statikproblemen gesperrt. Um den Standort langfristig zu sichern wären doch erhebliche Sanierungsmaßnahmen von Nöten.

Die Stadt München spielt klar den Trumpf "Verrottung". Immer wieder hört man von angeblich hohen Kosten im Stadtetat zur Instandhaltung vom Grünwalder Stadion. In Wirklichkeit gab es schon lange keine Sanierungsarbeit mehr im Stadion.

Mittelfristig müsste das Ziel ja sein, dass die erste Mannschaft des TSV1860 wieder auf Giesings Höhen spielt, wenn man sich ernsthaft um den Erhalt des Grünwalder Stadions bemüht. Wie steht dem die Vereinsführung gegenüber und lassen die Verträge welche mit dem FC Bayern als Mieter in der Allianz Arena abgeschlossen wurden einen Umzug in absehbarer Zeit überhaupt zu?

Der Verein hat Verträge an die er sich halten muss. Ein Umzug der Profis zurück ins Grünwalder Stadion ist also im Moment kein Thema. Das sich viele Fans wünschen, dass auf Giesings Höhen ein eigenes Löwenstadion steht, das allen Ansprüchen an ein richtiges Fußball-Stadion gerecht wird, steht außer Frage. Jetzt geht es darum, den Erhalt vom Grünwalder Stadion zu sichern. Um das zu erreichen, muss der Stadtratsbeschluss zum Abriss gekippt werden. Dafür setzt sich die Aktion XX-Tausend vordergründig ein.

War der Verein früher Kult und konnte wohl nur durch seine leidenschaftichen Fans den langjährigen Gang durch die Bayernliga in den 80er Jahren überleben, ist die Fanszene inzwischen untereinander zerstitten. Eint die Aktion XX-Tausend die Fansszene vielleicht sogar wieder, da hier seit langer Zeit mal wieder alle Lager (Pro 1860, Arge und Verein) an einem Strang ziehen?

So zerstritten ist die Fanszene untereinander gar nicht. Bei 1860 hat es Tradition, dass jeder seine Meinung sagen darf. Man darf nicht vergessen, was wir Löwenfans die letzen Jahre alles mitgemacht haben: sportliche Berg- und Talfahrt; Umzug vom Grünwalder Stadion in den Olympiapark, zurück ins Grünwalder Stadion, anschließend in die Arena am Müllberg im Norden der Stadt; etliche finanzielle (Fast-)Pleiten; diverse Führungspersonen, die sich am Verein nach belieben bedient haben und sich persönlich profilieren wollten. Also jede Menge Diskussionsbedarf innerhalb der Fanszene.

Die Aktion XX-Tausend ist aber in der Tat ein Werk aller Fans von 1860. Egal ob organisiert oder unorganisiert, jeder findet sich in den Aktionen wieder und trägt seinen Teil für den Erfolg von XX-Tausend bei.

Eine kleine Zeitreise zurück in die Karl-Heinz-Wildmoser- Ära: Wie würde es um den Verein TSV 1860 München und die Bestrebungen zum Erhalt des Grünwalderstadions stehen, wäre die Mannschaft Mitte der 90er Jahre nicht ins Olympiastadion umgezogen?

Was wäre wenn?! Es ist leidlich darüber zu spekulieren. Die Ära Wildmoser hat einen tiefen Keil in den Verein getrieben und trägt in letzter Konsequenz dazu bei, dass der Traditionsverein TSV 1860 München so langsam seine Identität komplett verliert. Der Verlust vom Grünwalder Stadion würde letztendlich die Lichter ausmachen. Eine schaurige Vorstellung.

(Teil I des Interviews hier zum Nachlesen)

Mehr Informationen gibt es im Internet unter: www.xx-tausend.info

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