"Beer Riots": Eine kleine Geschichte bayerischer Revolutionen

Bierrevolution Bayern MuenchenDen Bayern wird gerne mangelnde Revolutionsbereitschaft vorgeworfen: Die Münchner Räterepublik hielt keine vier Wochen und seit einem halben Jahrhundert macht über die Hälfte der Bevölkerung am Wahlsonntag brav ihr Kreuzchen bei der CSU. Erst wenn's ums Bier geht, hört in Bayern bekanntlich der Spaß auf. "Bierernst" wurde zu einem festen Ausdruck und das bayerische Reinheitsgebot von 1516 ging als erstes Lebensmittelgesetz in die Geschichte ein.

1844 schlugen im Zuge der sog. "Bierrevolution" tausende aufgebrachter Bürger die Münchner Brauereien kurz und klein, weil man sich erdreistet hatte, den Preis für die Maß Bier aufgrund allgemeiner Rohstoffknappheit um einen Pfennig zu erhöhen. Selbst die Soldaten solidarisierten sich mit den aufständischen Bierdimpfeln und weigerten sich einzuschreiten.
41 Verletzte waren bei diesen ersten Münchner Chaos-Tagen zu beklagen, doch die Revolution war geglückt: Am vierten Abend der Unruhen nahm König Ludwig I. die Preiserhöhung per Dekret zurück.

Die "Beer Riots" von 1844 und 1848 erlangten schnell internationale Bekanntheit, Friedrich Engels, der Mitbegründer des Marxismus, schrieb im englischen Northern Star einen Artikel über den Aufstand der Trinkseligen. Wer glaubt, das gehöre alles längst ins Reich der Geschichte und Bayern sei mittlerweile ein modernes Land geworden, liegt falsch: Gerade mal zehn Jahre ist es her, als bei der "Biergarten-Revolution" erneut der Volkszorn entbrannte. Da hatten es doch tatsächlich Leute gewagt, gegen die Lärmbelästigung in den Biergärten zu klagen. Auf den Seiten des "Biergartenvereins" ist zu lesen:

Der Begriff des "Anwohners" drohte die längst zum Kulturgut gewordene Bierseligkeit zu zerstören.

Mehr als Zwanzigtausend sahen sich dermaßen in der Ausübung ihrer Bierseligkeit bedroht, dass sie am 12. Mai 1995 in Begleitung von Blasmusik und Trachtengruppen zur großen Demonstration auf den Münchner Marienplatz zogen und offiziell zur "Bayerischen Biergartenrevolution" aufriefen. Eine Steilvorlage für den sonst allem Revolutionären eher skeptisch gegenüberstehenden Edmund Stoiber, der sich mit seiner Initiative zum Schutze der Biergärten profilieren konnte und wohl noch heute davon profitieren dürfte.

Schließlich gelang ihm ein Kompromiss, der den Biergartenfreunden den Ausschank bis 22.30 Uhr gewährleistete, da konnten sich die Anwohner (sicherlich irgendwelche SPDler) beschweren soviel sie wollten. Oh Edmund, wo ist dein diplomatisches Geschick von damals geblieben? Aber eine große Koalition ist wohl doch etwas schwieriger zu bewerkstelligen als eine kleine Biergartenrevolution, nicht wahr?

Kommentare

Revoluzer am Mi., 04.01.2006 - 15:52

Nun ja, für uns Münchner war diese "Biergartenrevolution" schon ´ne tolle Sache. Da hat der Stoiber wirklich was für uns getan. Biergärten dürfen seither bis 22:30 Uhr Bier ausschenken. Dass vor Stoibers "Biergartenrevolution" die meisten Biergärten auch schon bis 01:00 Uhr! Ausschenken durften (manche sogar bis 05:00 Uhr!) interessiert natürlich den braven CSU-Wähler nicht ;-)

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