Das zu spät befreite Auschwitz
Am Mittwochabend nahmen Zeitzeugen, Mitglieder der jüdischen Gemeinde und das offizielle München am Holocaustgedenktag im Senatssaal des Bayerischen Landtags teil. Organisiert vom NS-Dokumentationszentrum München hatte Landtagspräsidentin Stamm eingeladen, die Staatsregierung war durch einen Staatssekretär vertreten.
Stamm vergoss in ihrer Ansprache die Krokodilstränen der CSU über die zögerliche Bewältigung der NS-Vergangenheit in den letzten Jahrzehnten. OB Christian Ude machte deutlich, dass der Nationalsozialismus seine entscheidenden Wurzeln im Münchner Großbürgertum fand im Umkreis weniger hundert Meter vom Versammlungsort und die Vernichtungsstrategie vom benachbarten Lager Dachau mit seiner gewaltigen Ausbildungsstätte in der dortigen SS-Stadt ausging. Deshalb sei es gut, das wesentlich von der Stadt initiierte Dokumentationszentrum auch unter Einbeziehung der Tatorte einzurichten.
Die Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, wies auf den alltäglich notwendigen Kampf gegen Fremdenfeindlichkeit hin und forderte schärfere Grenzen für die Meinungsfreiheit Rechtsradikaler mit unverhohlen verbrecherischer Gesinnung.
Generalbundesanwältin Monika Harms zeigte die Rolle der Justiz für die Wahrheitsfindung in einem geordneten und demokratisch legitimierten Verfahren auf, eine Wahrheitsfindung, die es neben der historischen Forschung aber auch zu ihrem Bedauern viel zu spät und zu selten gegeben hat.
In einem dicht gewebten energischen Vortrag machte die junge Gründungsdirektorin des im Entstehen begriffenen NS-Dokumentationszentrums Irmtrud Wojak deutlich, dass der Holocaust eine deutsche Erscheinung war: Nach religiöser Ausgrenzung im Mittelalter, Vertreibung in der Neuzeit und punktuellen Pogromen sollte hier unter Mitwirkung sehr vieler und mit einer aus dem System heraus durch diese blitzschnell gesteigerten Effektivität und perfiden Perfektion die vollständige Vernichtung aller jüdischen Menschen in Europa erfolgen. Die im Grundgesetz verankerten Regeln zum Schutz der Menschenwürde und der Demokratie sind kämpferisch zu bewahren.