Baal and Bunnies
Ganz im Gegensatz zur Dynamik der Aufführung kommt die Vorstellungsserie des "Baal" im Münchner Residenztheater nach Krankheit im Schauspielerkreis (Erkältungen nach der Badeszene?) nur schleppend in Gang. Geboten wird unter der Spielleitung des auch hier seit Jahrzehnten inszenierenden Berliners Frank Castorf eine monumentale Spielshow – mehr als geschehen lässt sich nicht auf die Schauspielbühne bringen.
Castorf hat nach der textlichen Dichte und dann auch Länge der Aufführung den "Baal" mehr als verdoppelt, obgleich schon Brecht selbst damit sein ganzes Dichterleben lang beschäftigt war. Er liefert ein Potpourri von eigenen, von Schauspielern improvisierten und fremden Texten sowie Zuschnitten aus anderen Medien: So taucht Baal auf wie Rainer Werner Fassbinder, die Handlung ist verflochten in Szenen aus "Apocalypse now" und Opernarien - allzu oft aber auch in nur laue Assoziationen mündend. Castorf versucht, im Windschatten des Genies Brecht mörderische Katastrophen der letzten 50 Jahre so reißerisch darzustellen, wie sie waren. Ein Drittel des Publikums will dies missverstehen und flieht zur Pause.
Die Aufführung selbst ist ein Regieklon der "Reise ans Ende der Nacht", die Castorf hier mit denselben großartigen und sich schon da aufopfernden Schauspielern und Ausstattern vor einem Jahr hat aufführen lassen. Sie spielt auf allen räumlichen, klimatischen und sinnlichen Ebenen, vom Badpool im Keller bis zum Dach (des Hubschraubers), bei Regen und Nebel, Sex in bühnengerechtem Umfang und allen szenegehörigen Gerüchen. Die Verlagerung eines Teils der Aufführung in Live-Videoszenen erlaubt die Verzerrung der an sich vertrauten Gesichter der Schauspieler – neben der ständigen Verzerrung der Sprache ein jahrzehntealtes Markenzeichen Castorfscher Regiekunst.
Der Zuschauer kann über die ganzen 4,5 Stunden Spieldauer hinweg fasziniert und präsent sein, er fühlt sich auf die Bühne einbezogen. Die Kernfrage: Brecht selbst hätte der "Baal" von Castorf gefallen, die Sorge ums eigene Werk und vor allem den eigenen hier doch arg untergeordneten Text wäre durch ein phantastisches Welttheater auch in seinem Sinne aufgewogen, zumal er zu seiner Zeit solchen Aufwand selbst nicht hätte treiben können.
Weitere aber relativ rare Aufführungen mit gutem Kartenangebot an den Wochenendtagen 6., 13., und 28. 2.2015