Christiane Pohle über "Spieler"

"Bis zur eigenen und gegenseitigen Zerstörung"

Spiel mit der eigenen Existenz: Christiane Pohle hat "Spieler" inszeniert - eine Koproduktion zwischen dem PATHOS München und dem Theater Basel. Am Abend feiert das Stück in München Premiere. Ein Interview.

Christiane Pohle, Jahrgang 1968, inszenierte an den Kammerspielen Stücke wie "Wir werden siegen" von Peterlicht oder "Die Räuber" nach Schiller. Am Mittwoch, den 6. Oktober um 19:20 Uhr feiert "Spieler" im Pathos Transport Theater Premiere.

muenchenblogger: In Dostojewskis "Der Spieler" erliegen die Figuren der Spielsucht. Haben Sie auch schon mal Roulette gespielt?

Christiane Pohle: Ich habe natürlich auch schon das ein oder andere Mal Roulette gespielt, allerdings nicht im Entferntesten mit den extremen Einsätzen und Verlusten, wie die Figuren in Dostojewskis "Spieler". Im Roman "Der Spieler" geht es allerdings auch nicht ausschließlich um die Spiel- und Gewinnsucht von Menschen beim Glücksspiel, sondern um ein grundsätzliches Spiel mit der eigenen Existenz, in jeder Beziehung. Der äußere Bankrott der von Dostojewski beschriebenen Gesellschaft in "Roulettenburg" spiegelt gewissermaßen einen inneren "Bankrott", einen seelischen und geistigen Zustand von ungebremster Leidenschaft, Lebenssucht und Hemmungslosigkeit, bis zur eigenen und gegenseitigen Zerstörung.

muenchenblogger: In dem Stück wird "Der Spieler" mit dem weiteren Dostojewski-Roman "Ein grüner Junge" vermischt. Was waren die großen Herausforderung für eine Regisseurin bei der Verbindung von zwei Romanen?

Christiane Pohle: Der Abend "Spieler" beschäftigt sich im ersten Teil mit Dostojewskis Roman "Der Spieler", im zweiten Teil mit dem relativ späten Werk "Ein grüner Junge". In gewisser Weise empfinde ich "Ein grüner Junge" auch als eine Fortsetzung, ein Weiterdenken, der in "Der Spieler" beschriebenen Welt. Während "Der Spieler" ein sehr gradliniger Roman, mit klarer Geschichte und eindeutiger Figurenkonstellation ist, befindet man sich in "Ein grüner Junge", gemeinsam mit dem jungen Arkadij Dolgorukij, in einer komplett unübersichtlichen und verworrenen biographischen und gesellschaftlichen Situation. Die Suchbewegungen des jungen Mannes, der nach einsamer Kindheit endlich seinen Eltern wiederbegegnet, sind sprunghaft, vielschichtig, wirr, getrieben von Wut, Unverständnis, Sehnsucht und visionärer Kraft. Diesen so unterschiedlichen Romansystemen Sorge zu tragen und adäquate theatrale Erzählformen zu erfinden, war mit Sicherheit die größte Herausforderung dieses Projektes.

muenchenblogger: Was fasziniert Sie an Dostojewski?

Christiane Pohle: Neben vielem anderen fasziniert mich an Dostojewski seine minutiös genaue Beschreibung der menschlichen Existenz, mit all ihrem Versagen, ihrem Hoffen, ihrer Verzweiflung, ihrer Lächerlichkeit. Gleichzeitig weist Dostojewski auf den Umstand hin, dass genau dieser "unzulängliche" Mensch, immer und im gleichen Moment zu höchsten Ideen und Visionen fähig ist, und dass das Anerkennen dieser Tatsache ein genauso schmerzlicher, wie unumgänglicher Prozess ist.

muenchenblogger: "Spieler" ist eine Koproduktion zwischen dem PATHOS München und dem Theater Basel. Was sind die größten Unterschiede zwischen den beiden Häusern?

Christiane Pohle:
Die Unterschiede zwischen einer freien Spielstätte und einem subventionierten Staatstheater sind naturgemäß groß, was Ausstattung, finanzielle Möglichkeiten und Umsetzbarkeit angeht. Und natürlich entstehen teilweise auch unterschiedliche Arbeitsweisen durch unterschiedliche Systeme. Interessanterweise ist das für mich in der direkten künstlerischen Arbeit dann überhaupt gar nicht mehr von Belang. Da geht es unterschiedslos um ein rigoroses Befragen von Inhalten und Formen, und darin um höchste Qualität, und vollen Einsatz aller Beteiligten. Ob auf der Bühne im Pathos München, oder auf der Bühne im Theater Basel, ob im leeren Raum, oder einem aufwändigen Bühnenbild: Entscheidend ist, ob sich „da oben“ essentielle Dinge zutragen, ob mit vollem Risiko gemeinsam an Inhalten gearbeitet wird, und ob diese Arbeit die Zuschauer berühren und involvieren kann.

Weitere Infos über Spieler und das Pathos Transport Theater gibt es hier.

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